Hans-Heinrich Jörgensen
Ein
ausgewiesener Experte in Sachen Schüßler-Salz-Therapie. Jörgensen ist
Heilpraktiker seit 1962 und Vizepräsident des Biochemischen Bundes
Deutschlands. Viele Jahre war er Mitglied der wissenschaftlichen Aufbereitungskommission
für Mineralstoffe und Vitamine beim Bundesgesundheitsamt.
Mit
Magnesium entspannen
(Aufsatz im "Naturarzt Nr. 8/2008)
Als die Photographen sich
noch vorn und hinten mit ph schrieben, wussten sie gut Bescheid über die
erleuchtende Wirkung des Magnesiums, denn die frühen Blitzlichter bestanden aus
einem Magnesiumpulver, das mit leuchtend heller Flamme verbrannte und
Familienfotos auch im heimischen Wohnzimmer ermöglichte. Und moderne Autos
wären weniger schnell und sparsam, wenn nicht an vielen Stellen superleichte
Magnesium-Legierungen, leichter noch als Aluminium, verbaut würden.
Die Medizin hat sehr viel
länger gebraucht bis sie die unendlich große Bedeutung des Magnesiums für die
Gesundheit erkannte, und vor allem, wie weit verbreitet in der Tat Mängel in
der Versorgung sind. Am schnellsten waren die Veterinäre, die sich fragten,
warum denn immer wieder die Rinder nach dem Frühjahrsauftrieb auf die fetten
grünen Weiden mit Krämpfen verendeten. Als man der Ursache auf die Schliche
kam, nämlich dem Magnesiummangel, und die Weiden zusätzlich mit Magnesium
düngte, war der Spuk vorbei.
Damit tut sich auch schon
der wichtigste Wirkansatz des Magnesiums auf: es ist ein natürlicher
Gegenspieler zum Calcium. Damit ein Nervensignal am Übergang vom Nerven zum
Muskel auch in die Muskelkontraktion umgesetzt wird, muss Calcium aus den
Mitochondrien im Zellinneren freigesetzt werden. Und damit dieser Impuls nicht
unangemessen übers Ziel hinausschießt, hält der Gegenspieler Magnesium das Gleichgewicht
im Lot. Besonders ausgeprägt ist dieser nützliche Effekt an der glatten
Muskulatur, das sind jene Muskeln, die die Hohlorgane versorgen. Wenn ich als
Musterbeispiel in Vorträgen dafür den Kopf erwähne, dauert es immer ein
Weilchen, bis das Publikum – in weiser Selbsterkenntnis? – zu lachen beginnt.
Ich meine natürlich die Adern und Venen im Kopfe, deren Krampf zur Migräne
führt, womit Sie schon die erste sinnvolle Indikation für Magnesiumgaben haben.
Aber auch die anderen
Hohlorgane sprechen bei Spasmen gut und zuverlässig auf Magnesium an:
Gallenwege, Nierenwege, wenn nicht ein Stein fest eingeklemmt ist, Darm,
Herzkranzgefäße … für alle diese kolik- und krampfartigen Ereignisse mag das
Telefon für den Notarzt die erste Maßnahme sein, die zweite aber ist
Magnesium, und in vielen Fällen kommt der Notarzt vergebens weil der Krampf
sich gelöst hat.
Eine weitere ganz wichtige
Aufgabe zur Stabilisierung der Nerven und damit zur Vermeidung von Krämpfen und
Schmerzen ist die Aktivierung jenes Enzyms, das im Volksmund als
"Kalium-Natrium-Pumpe" bezeichnet wird, korrekt aber
Adenosintriphosphatase heißt und ständig Natrium aus den Zellen heraus und
Kalium hinein befördert. Das Natrium ist bei jedem Nervenimpuls hinein geraten,
das Kalium strömt ständig heraus und hält dadurch das Ruhepotenzial der Nerven,
also die neuromuskuläre Stabilität, aufrecht. Ausströmen aber kann es nur, wenn
es zuvor hinein gelangt ist: Magnesium ist der Motor dafür. Ohne ausreichend
Kalium im Inneren der Nervenzellen und ohne die Pumpzentrale Magnesium keine
nervliche Ausgeglichenheit.
Mit diesem Doppeleffekt,
Entkrampfung der Adern und Stabilisierung der Nerven kommt dem Magnesium eine
besondere Wirkung bei allen Kreislauferkrankungen, insbesondere dem hohen
Blutdruck zu. Auch verringert Magnesium die Thrombozytenverklumpung und
damit das Embolie-Risiko. Da ihm auch noch eine gewisse cholesterinsenkende
Wirkung zugeschrieben wird, ist Magnesium ebenso wie Kalium das klassische
Mittel aller Hypertoniker.
Wir alle wollen möglichst
alt werden ohne dabei zu altern. Die Schäden, die beim Altern auftreten, hängen
mit der nachlassenden Reparaturfunktion der DNA, also der Korrektur
fehlerhafter Zellteilungsinformationen, zusammen. Es gibt Hinweise darauf, dass
Magnesium diese Reparaturfunktion unterstützt.
Eine erhöhte Nervosität,
oft auch als Depression fehlgedeutet, Krampf- und Kolikneigung,
Herzrhythmusstörungen, Muskelverspannungen, Wadenkrämpfe sollten immer Anlass
sein, einen Gedanken auf die Magnesiumversorgung zu lenken.
Dieses dran denken ist
überhaupt die wichtigste diagnostische Maßnahme bei allen Überlegungen
hinsichtlich einer ausreichenden Mineralversorgung. In unserer allgemeinen
Meßgläubigkeit vertrauen wir nicht mehr auf unser Wissen um typische Symptome,
sondern hätten liebend gern einen Laborbericht, der Sicherheit gibt und auf den
man sich berufen kann. Nur ist diese Sicherheit allenfalls eine
Scheinsicherheit, denn da die Mineralien sich nur zum Teil im Blut aufhalten,
vielmehr jedes in seinem ganz spezifischen Aufenthaltsort, ist das Ergebnis
einer Blutuntersuchung auch nie repräsentativ.
Davon ganz abgesehen ist im
Verdachtsfall ein therapeutischer Versuch mit einer vierwöchigen Magnesiumgabe
einfacher, sicherer und billiger als aufwändige Blutuntersuchungen.
Zeigt denn der Versuch
deutlichen Erfolg, haben wir noch keinen Grund, uns auf diesen Lorbeeren
auszuruhen, denn die Frage, warum es überhaupt zu einem Mangel an einem so
wichtigen Mineral gekommen ist, bleibt ja offen. Liegt es an einer falschen
Ernährung, muss natürlich hier der Hebel angesetzt werden. Auf einen Nenner
gebracht: mehr Pflanze, weniger Fleisch! Das Blattgrün hat immer einen
zentralen Magnesiumkern.
Auch hier wird immer wieder
in dubiosen Tabellen mit Angaben über den Mineral- oder Vitamingehalt
bestimmter Nahrungsmittel gesucht. Und dann klammert man sich an die Angabe,
dass Sonnenblumenkerne besonders viel Magnesium enthalten, oder den Naschkatzen
zur Freude auch Schokolade. Nur kann ich meine tägliche Kost weder dauerhaft
auf Sonnenblumenkerne noch auf Schokolade umstellen. Allen
Nahrungsmittel-Untersuchungen haftet die Problematik an, dass jede Untersuchung
immer nur für eben diese gerade untersuchte Pflanze gilt: von dieser Sorte, von
diesem Acker, mit dieser Düngung, aus diesem Jahrgang, mit diesem Wetter, zu
diesem Erntezeitpunkt, mit dieser Lagerung… - und damit niemals verallgemeinert
werden kann. Darum ist auch jene beliebte Folie, die in allen
Ernährungsvorträgen gezeigt wird und den fürchterlichen Abfall aller
Wertbestandteile von den neunziger Jahren bis heute dokumentieren soll,
sinnlos. Warum wohl sollten unsere Pflanzen ein anderes Wachstumsverhalten
zeigen? Bei entsprechender Auslese und einem guten Erntejahr lässt sich ebenso
das Gegenteil belegen.
Neben der magnesiumarmen
Fehlernährung kommen auch ein paar moderne Medikamente als Verursacher in
Frage, vor allem Entwässerungs- und Abführmittel. Ebenso natürlich eine
Harnflut aus anderen Gründen – z.B. die "honigsüße Harnuhr",
Diabetes mellitus, – oder Durchfall auch ohne Abführmittelmissbrach.
Muss Magnesium wegen des
ausgeprägten Mangels wirklich medikamentös verabreicht werden, bieten sich eine
ganze Reihe verschiedener Verbindungen an, von denen jeder Hersteller
behauptet, seine sei die wirksamste und bekömmlichste. Überzeugende Belege kann
keiner dafür liefern, zumal Magnesium, wie jedes Mineral, seine entscheidende
Wirkung im Körper erst zeigt, wenn es nach der Resorption im Stoffwechsel
dissoziiert, das heißt aus seiner bestehenden Verbindung herausgelöst wird, und
nun auf der Suche nach neuen Partnern aktiv wird, oder als Kern in ein
stoffwechselaktives Enzym, z.B. die oben erwähnte Natrium-Kalium-Pumpe,
eingebaut ist.
Am Markt finden wir
Magnesium als Aspartat, Carbonat, Citrat, Gluconat, Glutamat, Orotat, Oxid,
Phosphat, Sulfat und möglicherweise einigen anderen Verbindungen, die meiner
Aufmerksamkeit entgangen sind. Mir ist die Phosphat-Verbindung, die der
Altmeister der Biochemie, Dr. Schüßler, vor 135 Jahren homöopathisch potenziert
als Magnesium phosphoricum empfahl, immer noch die liebste. Zweifler halten die
Schüßlersalzen zugeführten Mengen für zu gering und verkennen dabei zweierlei:
erstens wollen wir damit ja nicht den gesamten Tagesbedarf decken, der im
Wesentlichen über die Nahrung zugeführt werden muss, und zweitens steigert der
Vorgang des Verreibens oder Verschüttelns, den die Homöopathen
"potenzieren" nennen, die Zweifler "verdünnen", die
Aufschließung des groben Salzes bis hin zur nahezu Molekülgröße und damit die
Angriffs-Oberfläche und Wirksamkeit.
Aber selbst eingefleischte
Schüßler-Fans haben immer wieder ihre Bedenken hinsichtlich der erforderlichen
Menge und verordnen dann von den ausgeguckten Salzen sicherheitshalber mehrmals
täglich 10 oder mehr Tabletten, was ja nicht sonderlich logisch ist, denn
eine Potenz tiefer gewählt hat man schon die 10fache Menge des Salzes in der
Tablette. Bei ausgeprägten Mängeln macht es also Sinn, statt der üblichen D6
eine D3 zu wählen, g.F. sogar auf ein Supplement im Bereich des Tagesbedarfs,
wie z.B. die Neukönigsförder Mineraltabletten NE, zuzugreifen.
Extrem hochdosierte Monopräparate, wie sie gerade beim Magnesium gern als Pülverchen im Grammbereich oder beim Calcium als Brausetablette gegeben werden, haben mit gezielter Therapie nicht mehr sehr viel zu tun, weil mit zunehmender Menge die Resorptionsquote rapide absinkt. Damit schützt sich der Körper automatisch gegen eine Überdosierung.