Hans-Heinrich Jörgensen

Ein ausgewiesener Experte in Sachen Schüßler-Salz-Therapie. Jörgensen ist Heilpraktiker seit 1962 und Vizepräsident des Biochemischen Bundes Deutschlands. Viele Jahre war er Mitglied der wissenschaftlichen Aufbereitungskommission für Mineralstoffe und Vitamine beim Bundesgesundheitsamt.

Kalium

"Kalium statt ……" - Es bleibt dem Leser überlassen, den Satz reimend zu vervollständigen. Aber eine kleine Hilfe will ich doch geben: in der Schüßlerschen Biochemie gilt die Nummer 5 der Mineralsalze, Kalium phosphoricum, seit 137 Jahren als das klassische Mittel für die Nerven. In seiner kleinen Broschüre "Eine abgekürzte Therapie", mit der er seine Biochemie erstmals der Öffentlichkeit vorstellte,  schrieb Dr. Schüßler 1874

        "Das phosphorsaure Kali heilt Depressionszustände des Gemüts und des Körpers"

und weiter

        "Eine Störung in der Bewegung seiner Moleküle hat zur Folge im Denkzellengebiet:
         Zaghaftigkeit, Ängstlichkeit, Schreckhaftigkeit, Weinerlichkeit,  Heimweh, Argwohn,
         Platzangst, Gedächtnisschwäche und ähnliche Verstimmungen."


Schüßler war ein exzellenter Beobachter. Nahezu alle seine beschriebenen Anwendungsgebiete, so auch diese, sind durch moderne naturwissenschaftliche Erkenntnisse zur Physiologie bestätigt.

Heute wissen wir, dass im Inneren der Nervenzellen die Kaliumkonzentration etwa vierzig Mal so hoch ist, wie in der Umgebungsflüssigkeit. Nun neigen alle Mineralien dazu, einen Konzentrationsausgleich herzustellen - sofern sie die Grenzmembran überwinden können. Können sie das nicht, schaffen sie den Konzentrationsausgleich indem sie Wasser durch die Membran zu sich hineinziehen.

Das elektrisch positiv geladene Kalium-Kation hat mit dem Überwinden der Nerven-Membran kein Problem. Sie hat kleine Kanäle, durch die Kalium bequem ein- und ausschlüpfen kann. Nein - könnte, wäre es nicht "verheiratet" mit einem elektrisch negativ geladenem Eiweiß-Anion, das wiederum zu dick ist, um durch den Kalium-Kanal zu gelangen. Das bremst den Eifer unseres Kaliums jedoch nicht aus. Es verlässt die Nervenzelle, kommt aber nicht weit, weil sein Anhängsel nicht folgen kann. Kalium hängt nun an der Außenwand der Zelle, sein Ehe-Gessponst an der Innenwand, und weil der eine positiv, der andere negativ geladen ist, entsteht ein elektrisches Spannungsgefälle, das wir das Ruhepotenzial nennen. Das ist wiederum  dafür verantwortlich, dass die Nervenzelle nicht jeden Reiz, der von den Nachbarzellen kommt, auch aufnimmt und weiterleitet, dass sie auch einmal "Nein!" sagen kann zu den vielen tausend Signalen, die ständig auf sie abgefeuert werden. Ohne das Ruhepotenzial würde unser Nervensystem im Chaos versinken. Und je geringer die Kalium-Konzentration in den Nervenzellen, desto schwächer das Ruhepotenzial, desto anfälliger die Nerven und die Psyche.

Er hat also klug gefolgert, unser Dr. Schüßler, den die moderne Medizin gerne in die Ecke der "man-muss-dran-glauben-Medizin" stellen möchte. Es lohnt sich schon, um von den nebenwirkungsreichen  und die Persönlichkeit verändernden modernen Psychopharmaka wegzukommen, einmal einen Versuch mit dem Schüßlersalz Nr. 5 (Kalium phosphoricum D6) zu machen.

Nun dürfte es eigentlich gar keinen Kalium-Mangel geben, denn nahezu alle Pflanzen sind reich an Kalium. Alkali, das Gegenteil von Säure, ist ein Wort aus dem Arabischern und heißt Pflanzen-Asche. Manchmal kann es schon genügen, die Nerven zu stabilisieren, wenn man das ins Ungleichgewicht geratene Verhältnis von pflanzlichen zu tierischen Produkten in der Nahrung wieder ins Lot bringt.

Ein weiteres Problem bereitet unser versalzener Geschmackssinn. Kalium ist der natürliche Gegenspieler zum Natrium, und jeder weiß zwar, missachtet es aber sträflich, dass wir uns ein Übermaß an Kochsalz, also Natriumchlorid, zuführen. Damit gerät Kalium relativ ins Defizit. Selbst bei normalen Blutbefunden kann die gestörte Relation zum Natrium Kalium-Mangelzeichen verursachen.

Und ein Drittes: nahezu alle Entwässerungsmittel, die heute zur Behandlung des Hochdrucks und der Herzschwäche eingesetzt werden, schwemmen Kalium aus dem Körper aus. Gerade diese Erkrankungen werden aber häufig von Rhythmusstörungen des Herzen begleitet, die wiederum durch einen Kalium-Mangel verstärkt werden können. Klar, wenn doch das Ruhepotenzial sinkt, ist das Reizleitungssystem des Herzens anfälliger für Störimpulse. Setzt das Herz einen Schlag aus, liegt das nicht daran, dass ein Nervenimpuls fehlt, sondern dass einer zu früh kam, so früh, dass das Herz noch gar nicht wieder in Bereitschaft für den nächsten Schlag war. Eine Extrasystole nennt man das. Viele davon lassen sich vermeiden, wenn die Kalium-Konzentration wieder stimmig wird.

Fehlt im Zell-Inneren Kalium, klappt die Zelle nicht etwa in sich zusammen, sondern sie wird mit einem anderen Kation aufgefüllt, das hier jedoch denkbar unerwünscht ist, nämlich dem aus anderen Verbindungen frei gesetztem Wasserstoff-Ion. Das aber ist der Träger von Säure, und Säure, die sich im Zell-Inneren versteckt, wird von den Messfühlern der Niere nicht erkannt und nicht ausgeschieden. Ein Zuviel an Säure im Inneren der Zelle kann aber bei der Teilung der Gene zu Mutationen führen, schlimmsten Falls also auch Krebs erzeugen.
 
Aus Angst vor der zur Modediagnose geratenen "Übersäuerung" schlucken ungezählte Patienten regelmäßig eines der zahlreichen Entsäuerungs-Pülverchen, die fast alle auf dem preiswerten und einfach zu verarbeitendem Natriumhydrogenkarbonat (Natriumbikarbonat) aufgebaut sind. Damit aber wird das normale Kalium:Natrium-Verhältnis im Blut noch mehr verschoben, Die Kalium-Moleküle, die im Blut krampfhaft versuchen, diese Relation in der Norm zu halten, können nicht an ihren angestammten Platz in der Zelle gelangen, verjagen dort auch keine Säure. Man hat den Teufel mit Beelzebub ausgetrieben. Eine wirksame "Entsäuerung" muss also immer mit Kalium beginnen.

Das richtige Kalium-Natrium-Verhältnis im Blut ist auch für den Wasserhaushalt verantwortlich. Natriumchlorid, unser Kochsalz, bindet Wasser im Körper, und zwar 9 Gramm einen Liter Wasser. Schwimmt aber ein Liter mit Salz und Wasser verdünntes Blut mehr in den Adern herum als im Bauplan der Natur vorgesehen, dann ist der Druck, der von innen auf die Gefäßwände drückt, auch höher. Das Blutdruckmessgerät erzeugt Panik. Erste den Blutdruck senkende Maßnahme des Hausarztes ist darum auch ein Diuretikum, das Natrium über die Niere ausleitet und damit auch Wasser.

In der biochemischen Literatur ist zu diesem Problem viel Missverständliches und Missverstandenes zu lesen. Dabei ist es ganz einfach: will ich Wasser im Körper festhalten, z.B. beim Fließschnupfen, Tränenfluss oder übermäßigem Schweiß, dann ist die Nr. 8 (Natrium chloratum D6) angezeigt. Will ich hingegen Wasser aus dem Körper vertreiben, z.B. bei Oedemen, Herzmuskelschwäche oder hohem Blutdruck, dann kommt die Nr. 4 (Kalium chloratum D6) zum Zuge. Das gilt auch für Schleimhautschwellungen oder Brandblasen.

Unter den 12 Funktionsmitteln nach Schüßler finden wir dann auch noch die Nr. 6 (Kalium sulfuricum). Hier dürfte die Hauptwirkung wohl ehr auf das anhängende Anion Schwefel (Sulfur) zurückzuführen sein. Die Deckzellen der Haut und die Hautanhanggebilde (Nägel, Haare) sind sehr schwefelhaltig. Wer als Kind sein ausgezupftes Haar in die Adventskerze gehalten hat, kennt den Schwefelgestank. Und wer dem geradenwegs aus der heißen Hölle kommenden Leibhaftigen schon einmal begegnet ist, weiß dass der Pech- und Schwefelgestank von seinem Bockhuf kommen muss. Und wer das Glück hatte, ihm noch nie zu begegnen, muss seine Nase nur in eine Hufbeschlagsschmiede stecken, dann ist er überzeugt. Kalium sulfuricum ist darum auch das klassische Schüßlersalz für alle abschuppenden Krankheiten der Haut: Scharlach, Masern, Röteln, Schuppenflechte, Neurodermitis usw.

Nicht selten erreichen mich Hilferufe wegen eines erhöhten Kalium-Spiegels im Blut. In den meisten Fällen ist das harmlos und durch Fehler bei der Blutentnahme oder der Behandlung der Blutprobe entstanden. Ich erinnere daran, dass im Inneren der Zellen, nicht nur der Nervenzellen, die Kalium-Konzentration sehr viel höher ist als in der Umgebung. Zerplatzen bei der Blutentnahme durch die Venenstauung oder eine zu dünne Kanüle nur wenige rote Blutkörperchen, geben sie ihr Kalium ins Serum ab und die Untersuchung fällt entsprechend erhöht aus. Im Zweifelsfall also gelassen bleiben und bei Gelegenheit kontrollieren lassen.

Diese Gelassenheit fehlt Ihnen? Hier schließt sich der Kreis: Kalium statt…