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Drachenwut's Politikblog

Politische Korrektheit

Politische Korrektheit (dengl. pollitickel koräktnäss) ist heutzutage, dass logisch-auf sich beruhende Gegenteil von faktischer Korrektheit.
Oder einfacher,
eine Worthülse um Lüge, Meinungsmache, Maulkorberlasse, faktische Verdrehungen, Verfälschung und Meinungs-Monopolismus zu verschleiern.



 

In Asien tobt der Kampf um Öl und Gas (16.7.2005) 

 

Von Dominique Eigenmann

 

Der rasant steigende Energie-Hunger Chinas und Indiens ordnet die geopolitische Land-schaft Asiens neu. Neue Allianzen werden geschmiedet, neue Konflikte zeichnen sich ab.

 

Als der chinesische Präsident Hu Jintao kürzlich in Moskau Russlands Wladimir Putin besuchte - es war das dritte Treffen in kurzer Zeit -, hatten beide vor allem eines im Sinn: Öl und Gas. Wenn der chinesische Aussenminister in dieser Zeit in den Iran reist oder der indische Präsident nach Pakistan, dann ist das vorherrschende Thema immer dasselbe: Wie können die aufstrebenden Mächte Asiens, vor allem China und Indien, ihren dramatisch steigenden Hunger nach Öl und Gas stillen?

 

Pipeline-Diplomatie hat man die aussenpolitische Form dieses kaum verhüllten Kampfs um die letzten Öl- und Gasressourcen treffend genannt. Sie hat innert Kürze geschafft, was klassische Diplomatie über Jahrzehnte nicht vermochte - nämlich dass unverhofft alle mit allen reden und Geschäfte abschliessen: Pakistan mit seinem Erzfeind Indien, Indien mit den entfremdeten Nachbarn Bangladesh und Burma, China mit dem bedrohlichen Russland und alle zusammen mit dem im Westen verfemten Iran. Ölbusiness ist der Schlüssel zu einem neuen aussenpolitischen Pragmatismus geworden, der die geopolitische Lage Asiens in den vergangenen zwei, drei Jahren fundamental verändert hat und rasant weiter verändert.

 

Immer abhängiger vom Ausland

 

Ausgangspunkt der Revolution ist der ungestüme wirtschaftliche Boom Indiens und Chinas, in ge-ringerem Masse auch derjenige der Schwellenländer Vietnam, Pakistan oder Thailand. Zwischen 1980 und 2003 ist Chinas Wirtschaft um durchschnittlich 9,5 Prozent im Jahr gewachsen, die Indiens immerhin um 5,7 Prozent. Gleichzeitig ist der Energieverbrauch richtiggehend explodiert. Bis 1990 konnte China seinen Öldurst noch vollumfänglich aus eigenen Quellen stillen, heute importiert das Land bereits rund 40 Prozent seines Bedarfs, Tendenz schnell steigend. Die Abhängigkeit Indiens von Importen ist noch ausgeprägter: Sein Öl stammt bereits zu 70 Prozent aus dem Ausland.

 

Der steigende Wohlstand unter den 2,4 Milliarden Chinesen und Indern hat vor allem dazu geführt, dass immer mehr Autos auf die Strassen drängen: China wird 2010 90-mal mehr Fahrzeuge zählen als 1990, und 2030 werden voraussichtlich mehr Autos durch China fahren als durch die Vereinigten Staaten. Diese Statistik ist deswegen von Bedeutung, weil sie für den Ölverbrauch (zur Herstellung von Benzin und Diesel) in hohem Masse bestimmend ist: China und Indien dürften ihren Ölbedarf bis 2020 jeweils verdoppeln. China ist seit vergangenem Jahr hinter den USA bereits der Welt zweitgrösster

Ölkonsument, Indien steht hinter Japan auf Rang 4.

 

Der unaufhaltsam steigende Energiebedarf ist für die neuen asiatischen Giganten aus zwei Gründen bedrohlich: Engpässe bringen das weitere Wirtschaftswachstum in Gefahr, und die steigenden Importe erhöhen die Abhängigkeit vom Ausland. Bereits heute fehlt es den Grossstädten Indiens und Chinas an Energie: 15-Millionen-Wirtschaftsmetropolen wie Mumbai (Bombay) versinken tagelang im Dunkeln. Allein im Raum Shanghai mussten in den Wintermonaten mehr als 8000 Betriebe ihre Produktion an zwei Tagen in der Woche einstellen oder auf das Wochenende verlegen, weil der Strom fehlte.

 

Energie ist Überlebensfrage

 

Nichts ist für die Regierungen also vordringlicher, als nachhaltig für mehr Energie zu sorgen - auch aus Eigeninteresse: Peking zum Beispiel braucht ein Wachstum von 8 Prozent jährlich, um den Kollaps der Immobilienpreise und Banken zu verhindern, soziale Unruhen zu vermeiden und den Machterhalt der Partei zu sichern - das schwarze Gold wird so zur Lebensversicherung eines Regimes. Um die Versor-gung auch in Krisenzeiten sicherzustellen, wollen China und Indien (aber auch Japan und Südkorea) nicht nur neue Öl- und Gasvorkommen anzapfen, sondern auch die Abhängigkeit von den Ländern am Persischen Golf, wo die mit Abstand grössten Vorkommen liegen, verringern. Der Grund dafür ist sim-pel: Das Öl der Golfregion liegt, ausser im Falle des Iran, im Einflussbereich der USA, die vor allem China mittelfristig als «Supermacht»-Rivalen wahrnehmen. Die Strategen in Peking und Delhi befürch-ten mit Recht, dass die USA im Falle eines Konfliktes die Öllieferungen aus dem Persischen Golf mit Druck auf die Produzenten und mit Kriegsschiffen in den Strassen von Hormus und Malakka blockieren und ihre Wirtschaft damit lähmen könnten. China und Indien reagieren, indem sie ihre Ölimporte welt-weit diversifizieren, sich innerhalb Asiens stärker den russischen, kaspischen und persischen Vorkom-men zuwenden und indem sie neue Transportwege bauen, die dem Einfluss der USA vollkommen entzogen sind.

 

Da Öl weltweit knapp ist, ist der Kampf um die verbleibenden Öl- und Gasreserven längst im Gange. Seit wenigen Jahren beteiligen sich auch die chinesischen und indischen staatlichen Ölkonzerne ag-gressiv an der Jagd. Zwischen Venezuela und den Küsten Westafrikas, Sibirien und dem fernöstlichen Sachalin vergeht derzeit keine Woche, ohne dass chinesische oder indische Unternehmen Beteiligun-gen an Ölproduktionsanlagen oder langfristige Lieferverträge vermelden. Das laufende 18,5-Milliarden-Dollar-Übernahmeangebot der China National Offshore Oil Corporation an das US-Ölunternehmen Unocal, das vor allem in Asien grosse Reserven besitzt, ist nur der vorläufige Höhepunkt dieses welt-weiten Verteilkampfes. Am deutlichsten legen freilich milliardenteure Pipelineprojekte die strategischen Absichten der beteiligten Akteure offen (vgl. Grafik und Kasten). Gemeinsam ist den Projekten, dass sie neue strategische Möglichkeiten eröffnen, dass um des Öls willen alte Feindschaften begraben, neue Allianzen geschmiedet und neue Konflikte am Horizont sichtbar werden. Am bedeutungsvollsten sind sicherlich die Annäherungen von Russland und China beziehungsweise Indiens und Pakistans.

 

Russland-China: Für Russland, das China im Kalten Krieg immer mit grossem Misstrauen gegenüber-stand, ist China zu einem nützlichen Allianzpartner auf Reserve geworden. Verschlechtern sich die Be-ziehungen zu Europa und den USA - wie es in den vergangenen Monaten der Fall war -, kann sich Mos-kau stärker nach Osten orientieren. Die schon bis anhin massiven Verkäufe von Öl und Waffen an China unterstreichen den strategischen Charakter dieser Option. Russlands Präsident Putin hat die Zer-schlagung und Wiederverstaatlichung des Jukos-Konzerns in diesem Frühling denn auch dazu benutzt, chinesische (an Stelle amerikanischer) Investoren mit Beteiligungen und langfristigen Lieferverträgen zu bedienen. China und Russland sind sich überdies beim Versuch einig, eine «multipolare Weltord-nung» voranzutreiben, um die amerikanischen Hegemoniebestrebungen zu sabotieren.

 

Indien-Pakistan: Seit 1947 haben Indien und Pakistan zweimal Krieg um die Kashmir-Region geführt. Noch heute stehen sich an der Demarkationslinie Tausende von Soldaten gegenüber; der Kleinkrieg der kashmirischen Rebellen gegen die «Besetzer» hat in den vergangenen 15 Jahren mehr als 65 000 Menschen das Leben gekostet. Noch vor drei, vier Jahren war das Risiko eines erneuten Krieges, geführt allenfalls gar mit Atomwaffen, beträchtlich. Seit zwei Jahren jedoch hat unter den indischen Premierministern Vajpayee und Singh und dem pakistanischen Präsidenten Musharraf politisches Tauwetter eingesetzt. Neben geostrategischen und innenpolitischen Erwägungen haben auch energiepolitische Interessen zur einstweiligen Befriedung beigetragen: Die Aussicht, durch eine gemeinsame Pipeline in den Besitz iranischen und kaspischen Gases und, im Falle Pakistans, zusätzlich zu milliardenschweren Transitgebühren zu kommen, war allzu verlockend.

 

China/Indien-Iran: Der Iran verfügt über 11 Prozent der weltweiten Öl- und die zweitgrössten Gas-reserven. Die USA haben den Mullahstaat jedoch als «Vorposten der Tyrannei» geächtet und politisch isoliert. China und Indien öffnen Teheran nun eine Tür: Im Tausch mit jahrzehntelangen Öl- und Gaslieferzusagen im Wert von 40 Milliarden (Indien) respektive 70 Milliarden Dollar (China) und dem geplanten Bau einer direkten Pipeline machen sie strategisch gemeinsame Sache und unterlaufen die amerikanischen Sanktionen zu beidseitigem Nutzen. China dürfte angesichts dieser Interessenlage im Streit um das iranische Atomprogramm im Uno-Sicherheitsrat künftig seine (Veto-)Hand über den neuen Alliierten halten.

 

Indien-Burma-Bangladesh: Bangladesh, das bis 1971 zu Pakistan gehörte, hat seit seiner Unabhän-gigkeit eher schlechte Beziehungen zu Indien: Indien bezichtigt den Nachbarn, Rebellen im Nordosten des Landes über die Grenze hinaus operieren zu lassen. Das Militärregime von Burma wiederum steht China näher als Indien. Die aktuellen Pipelinepläne haben das Klima kürzlich aber dramatisch verbes-sert; Dhaka hofft auf Gas und jährliche Transitgebühren von 125 Millionen Dollar; Burma auf eine Lockerung seiner politischen Isolation. Mit erstem Erfolg: Die indische Regierung hat in letzter Zeit aufgehört, die burmesische Demokratiebewegung der Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi aktiv zu unterstützen.

 

Indien-China: Eine der bemerkenswertesten Annäherungen hat zwischen den beiden aufsteigenden Mächten selber stattgefunden. Neben aller historisch begründeten politischen und wirtschaftlichen Rivalität haben sich Indien und China zu einer pragmatischen Allianz gefunden. Diese ist zwar noch nicht zu einer eigentlichen «Ölachse» geworden, wie einige Beobachter schrieben, aber doch zu einer gefestigten Kooperation auf Grund gemeinsamer Energieinteressen. Nicht überraschend setzt sich China etwa für einen ständigen Sitz Indiens im Uno-Sicherheitsrat ein, wendet sich aber gegen das gleiche Ansinnen des wichtigsten asiatischen US-Verbündeten Japan. Indien und China seien bereit, traditionelle Differenzen hintanzustellen, sagte Indiens Premier Manmohan Singh im Frühling: «Die Aufgabe der Diplomatie hat sich verändert - heute geht es dabei hauptsächlich um Wirtschaft, Handel und Öl.» Indien und China seien in dieser Hinsicht eine «strategische Partnerschaft» eingegangen. «Indien und China können zusammen die Weltordnung neu formen.»

 

Die Jagd nach Öl und Gas hat zu neuen strategischen Bündnissen geführt, aber hat das neue «great game» Asien auch sicherer gemacht? Oder steht am Horizont nicht schon das Zeichen eines neuen Kalten Krieges mit den USA (oder einem seiner Stellvertreter) über die Vormacht in der Region?

 

Optimisten wie der indische Ölminister Mani Shankar Aiyar glauben, Indien und China könnten mit ihrer Ölallianz eine zunehmende wirtschaftliche und politische Integration Asiens einleiten - so wie Frankreich und Deutschland mit ihrer Kohle- und Stahlunion der 50er-Jahre die Integration Europas beförderten.

 

Zurzeit sind solche Visionen freilich nur Träume. Auch der angeblich «völkerverbindende Charakter» von Pipelines muss sich erst erweisen. Sicher ist aber schon, dass gemeinschaftliche, milliardenteure Infrastrukturprojekte zumindest das Potenzial haben, die daran beteiligten Partner über das Wirt-schaftliche hinaus langfristig zu binden. Freilich haben auch die Skeptiker Recht, die im neuen diploma-tischen Pragmatismus Asiens nur einen verallgemeinerten Zynismus erkennen: Wenn es um Öl geht, gibt es offenbar (auch) für China oder Indien keine «Schurken», mit denen sich eine Zusammenarbeit aus moralischen Gründen verbieten würde. Darauf zu hoffen, dass sich Tyranneien automatisch in zivilisierte Länder verwandeln, wenn sie nur an den allgemeinen Strom der Waren angeschlossen werden, ist sicher verfehlt, wie etwa die Erfahrung mit arabischen Staaten gezeigt hat.

 

Die Abhängigkeit vom Golföl verringern

 

Fünf grosse Pipelines sollen China und Indien mit neuem Öl und Gas versorgen.

 

Unter der Vielzahl derzeit gehandelter Pläne für den Aus- oder Neubau von Öl- und Gasleitungen (vgl. Grafik), stechen vor allem fünf hervor:

 

Eine mehrere Tausend Kilometer lange Pipeline soll die enormen sibirischen Öl- und Gasvorräte nach Osten bringen, entweder nach Nakhodka, in unmittelbare Nähe Japans, oder nach Daqing, Nordchina. Russland hatte sich Anfang dieses Jahres zunächst für die japanische Route entschie-den, erwägt nun nach anhaltendem chinesischem Lobbying aber, zusätzlich auch den China-Zubringer zu bauen. Experten bezweifeln allerdings, dass Sibirien genug Rohstoffe liefern kann, um beide Rohrleitungen zu füllen; in diesem Fall würde Russland wohl seine Lieferungen nach Europa einschränken (80% seines Öls fliesst derzeit nach Westen), um seinen asiatischen Verpflichtungen nachzukommen.

 

Die ehemalige Sowjetrepublik Kasachstan und China bauen an einer Pipeline, die kasachisches Öl und Gas direkt in die chinesische Unruheprovinz Xinjiang-Uigur bringen soll. Peking erhofft sich, mit dieser Energiespritze die Region wirtschaftlich entwickeln und dabei den umstürzlerischen Regungen den Nährboden entziehen zu können.

 

Der Iran, Pakistan und Indien sind übereingekommen, eine Pipeline vom gas- und ölreichen Süden des Iran über Pakistan nach Indien zu bauen. Das Projekt war zuvor während eines Jahrzehnts blockiert gewesen, weil sich die beiden südasiatischen Atommächte wegen Kashmir seit einem halben Jahrhundert feindlich gesinnt sind. Indien hat China bereits angeboten, die Pipeline bis ins Reich der Mitte zu verlängern.

Indien plant, über eine feste Leitung Gas aus Burma über Bangladesh nach Kalkutta zu leiten.

Gebaut wird bereits an einer Pipeline, die von Turkmenistan über afghanisches Gebiet nach Pakistan (und allenfalls weiter nach Indien) führen soll. Dieses Projekt wird vor allem von den USA vorangetrieben; seit dem Afghanistankrieg von Ende 2001 regieren sowohl in Kabul wie in Islamabad Alliierte der Amerikaner.Die ersten drei Projekte dienen China und Indien dazu, neue Quellen zu erschliessen, die Abhängigkeit vom Golföl zu verringern, die zum grösseren Teil noch unerschlossenen Vorräte Zentralasiens und des kaspischen Raums anzuzapfen und dabei die starke Stellung der USA in dieser Region zu schwächen. Das vierte Projekt will die Quellen im Golf von Bengalen anbohren, das fünfte Projekt ist Teil einer amerikanischen Gegenstrategie zu den ersten drei. (de.)

 

 

 

 

 

 

 

 

Öl- und Gaspipeline Projekte in Asien

 

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