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Drachenwut's Politikblog

Politische Korrektheit

Politische Korrektheit (dengl. pollitickel koräktnäss) ist heutzutage, dass logisch-auf sich beruhende Gegenteil von faktischer Korrektheit.
Oder einfacher,
eine Worthülse um Lüge, Meinungsmache, Maulkorberlasse, faktische Verdrehungen, Verfälschung und Meinungs-Monopolismus zu verschleiern.



Friede den Palästen, Krieg den Hütten

5. November 2011

Wenn ihn der Kater überkommt, hat schon so mancher Säufer Besserung gelobt und daran auch geglaubt – bis der Kater nachließ und er zwanghaft weiter soff.

Als man vor über drei Jahren mehr oder weniger auf Grund privater Rivalitäten zwischen zwei Top-Dienstmännern der Hochfinanz Lehman Brothers über die Klinge springen ließ und ein Heer von Anlegern, die fest daran glaubten, dass man aus dem Nichts Riesenrendite schöpfen könne, dabei ihre Spargroschen verloren, setzte in den nachgeordneten Rängen der Finanzwelt der große Finanz-Kater ein. Die Regierungen gelobten (wie heute wieder in Cannes) Besserungen, um künftig Ähnliches zu verhindern. Außer aufwendigen Konferenzen und blödem Propaganda-Geschwätz ist nichts geschehen. Inzwischen wird an den Märkten irrer und aufwendiger mit Anlegergeldern herumspekuliert als je zuvor.

Jüngstes Beispiel ist Jon Corzine (64), einst zusammen mit US-Finanzminister Henry Paulson im Vorstand bei Goldman Sachs, dann vorübergehend Gouverneur des US-Bundesstaates New Jersey und nach seiner Abwahl Chef des US-Brokers (mit Getreide- und Baumwoll-Futures) MF Global. Er soll – wie jetzt herauskam – mit Kundeneinlagen privat auf den Anleihemärkten herum spekuliert haben. Jedenfalls blieb nach dem 6,3 Mrd. $ Konkurs seiner Firma der Verbleib von 700 Mio. $ Kundeneinlagen unaufgeklärt. („Nein, die Banker und ihr System sind nicht das Problem, einzig die  Staatsverschuldung ist Schuld”, meinen „freie“ Marktgläubige).

Die Spieler in den Banken hantieren locker mit dem Vermögen ihrer Kunden im Finanzmarkt-Kasino und die Mietlinge in den Staatskanzleien und Ministerien verspielen mit würdiger Miene und „großem“, zur Schau gestelltem Ernst die Zukunft und den Wohlstand der Bürger, die ihnen vertrauen. Sind aber – wie das Beispiel des Rettungsschirms EFSF zeigt, der nach der Zusage an Griechenland größte Schwierigkeiten hatte 3 Mrd. Euro aufzutreiben – auf das Wohlwollen der weisungsgebundenen Apparatur der Hochfinanz angewiesen.

Auch der Finanzabteilung der Chinesischen Regierung kamen Zweifel. Sie hatte der EU zuvor Hilfe bei der Bekämpfung der Schuldenkrise angeboten und wollte staatliche Obligationen etlicher von der Krise betroffenen europäischer Länder kaufen. Vertreter Chinas und der EU hatten bereits Verhandlungen über eine mögliche Beteiligung Chinas am Fonds für finanzielle Stabilität in Europa (EFSF) aufgenommen. Jetzt sagte der stellvertretene chinesische Finanzminister Zhu Guangyao in Cannes Journalisten, die chinesische Regierung könne “noch nicht ernsthaft überlegen”, einen größeren Betrag in den erweiterten Rettungsschirm EFSF einzuzahlen. Der Plan, den EFSF von 440 Milliarden Euro auf eine Billion zu hebeln, sei “zu vage”. „Vage“ ist er, weil nicht klar ist, ob und wie die Hochfinanz mitspielt. Zweifel wurden durch das plötzliche Dazwischenfunken Papandreous (im Auftrag New Yorker Kreise?) geweckt. Zhu bestätigte das: “Wie unsere europäischen Freunde haben auch wir nicht mit einem griechischen Referendum gerechnet.”

Es geht um Geld, viel Geld. Doch wer sich davon beeindrucken lässt, täuscht sich genauso wie die meisten Spieler und Zocker auf den Finanzmärkten. Gespielt wird auch dort nur mit Spielgeld. Es ist so viel „wert“ wie das Papiergeld bei einem aufregenden Monopoly Spiel an einem verregneten Sonntagnachmittag (eine reine emotionale Glaubenssache). Muss man eine solche Aussage noch beweisen? Genügt es nicht auf den Geld-Wert des weltweiten Volumens an Derivate-Kontrakten zu erinnern, der bei 1,5 Millionen Milliarden Dollar, einem Vielfachen des Brutto Inlandprodukts der Welt, liegen soll? Alle Regierungen der Welt, alle Notenbanken, mit IWF etc. könnten eine sogenannte Kernschmelze des Geldsystems nicht verhindern, wenn diese Derivate-Blase platzen sollte – meint man. Natürlich könnten sie, wenn sie nur so viel Geld drucken, wie beim Zurückzahlen der Schulden an die Banken gleich wieder vernichtet wird. Das Hauptproblem der Hochfinanz bei diesem Geschäft ist nur, ihren Machtanspruch, d.h. den Glauben an ihr Geldsystem zusammen mit ihren Absichten für die Welt (das „Vermächtnis” der Georgia Guidestones, siehe dort) weiterhin unangefochten durchzusetzen – jetzt wo angeblich der 7 Milliardste Erdenbürger geboren wurde. Wer hat nachgezählt, wurden die vom Leben “befreiten” Libyer abgezogen?

Seine „Werthaltigkeit“ bezeugt dieses Geld ständig selbst, zum Beispiel als die beiden US-Politkommissare für Europa – Merkel und Sarkozy – gerade das sogenannte EU-Hilfspaket für Spekulanten in griechische (und andere) Staatsanleihen verabschiedet und „die Märkte“ (mit welcher Lunge?) zum Aufatmen verleitet hatten. Da funkte der griechische Ministerpräsident Papandreou (auf Anweisung des Führungsoffiziers?) mit seinem Referendums-Vorschlag kurzerhand dazwischen. Und flugs schrumpfte der „Geld-Wert“ der 50 größten börsennotierten Unternehmen der Euro-Länder um 64 Mrd. Euro. „Die Griechenland-Krise ist wieder mit voller Wucht ausgebrochen“ schrieb Bild am 1.11. und die US-Rating-Agentur Fitch wertet am 2.11. das geplante Referendum als Bedrohung für die Stabilität des Euroraums. Papandreou hat dann in Cannes den Spitzen von EU, EZB und IWF seine “Pläne erläutern“. Jetzt sind sie wieder vom Tisch, nur die kalkulierbaren Entwertungen und Verunsicherungen sind geblieben.

Vielleicht war in einem der Betriebe der betroffenen Unternehmen eine Maschine ausgefallen, doch was sonst könnte sich am Wert der Unternehmen geändert haben – nur ihr Geldwert. Das geschieht gerade so wie beim Monopoly-Spiel, wenn die Spielergesellschaft bei einbrechender Dunkelheit bei einem Gläschen Aperitif beschließt, vom Spiel zum Abendessen überzugehen. Die zuvor heißbegehrten Papierscheine werden nun emotionslos gebündelt und bis zum nächsten Spiel in die Schachtel gepackt. Und doch bestimmen Euro, Dollar und Co im Kleinen (für uns „kleine“ „gläubige“ Leute) weitgehend das Leben und im Großen, in welche Richtung sich unsere Gesellschaft tatsächlich entwickelt, was geschaffen wird und welche realen Möglichkeiten verhindert werden und – leider auch weitestgehend – was öffentlich gesagt, gedacht und geglaubt wird. Was ist das für ein Herrschaftssystem, das mit der produktiven Lebensleistung seiner Bürger, ihren Hoffnungen und Ängsten derart leichtfertig und nach Belieben weniger Top-Spieler umspringt?

Es ist „das beste aller möglichen Systeme“, versuchen uns die Spieler über ihre Medien, Stars, „anerkannten“ Wissenschaftler und Meinungsbildner einzureden. Und alle die sich daran gewöhnt haben, sich darinnen eingerichtet und darinnen alt geworden sind, plappern es aus Angst vor Veränderung nach. Sie mosern zwar auch herum, aber nur so, wie „die Eingeschlossenen“ in J. P. Sartres gleichnamigem Theaterstück. Wenn sich die Türe öffnen sollte, blicken sie in einen finsteren Gang und bleiben ängstlich schaudern sitzen – vielleicht verhauen sie noch diejenigen, die am lautesten „wir wollen hier raus!“ gebrüllt hatten. Das System ist so gut, dass wir inzwischen bereit sind, alle, die ihm nicht freiwillig huldigen und in es eintreten wollen mit „Rebellen“, „Terroristen*“, Drohnen und Krieg zu überziehen.

*(Der geistliche Führer des Iran, Ayatollah Ali Chamenei hat über die Agentur Fars gesagt: “Wir haben unanfechtbare Beweise über die Rolle der USA bei der Organisierung des Terrorismus und der Terroristen im Iran und im Nahen Ost… Mit der Veröffentlichung dieser Papiere werden wir den USA und denjenigen entgegentreten, die behaupten, dass sie Menschenrechte schützten.” Wenn es sie gäbe, wie würden wir davon erfahren: „Blödsinnige Verschwörungstheorien – wir, die freiheitlich demokratische, recht-staatliche USA tun so etwas nicht!“)

Den beabsichtigen System-Schutz bestätigt Verteidigungsminister Thomas de Maizière, wenn er in Internationale Politik Nr. 6/2011 meint: “Die Frage nach dem Einsatz unserer Streitkräfte wird in Zukunft wohl häufiger gestellt werden.” Künftig könnten “bis zu 10.000 Soldaten für landgestützte Einsätze in bis zu zwei Einsatzgebieten” sowie ein Marineverband zur selben Zeit in unterschiedlichen Kriegen operieren. Damit stünden doppelt so viele Soldaten – wie zur Zeit schon – für kriegerische Operationen im Ausland (bei Bruch des Grundgesetzes) zur Verfügung.  Laut Verteidigungsminister soll das “Fähigkeitsspektrum” der neuen Berufs- oder Söldner-Bundeswehr “breit” d.h. sowohl für “Stabilisierungseinsätze”, also für Operationen wie in Afghanistan, als auch für verdeckte „Kampfeinsätze höchster Intensität”, wie in Libyen, geeignet sein.

Über den Charakter der künftigen Kriege lässt sich in der gleichen Zeitschrift ein Christian Freuding, Oberstleutnant i.G. im Planungsstab des Ministeriums unter der bezeichnenden Überschrift „Wie Goliath gewinnen kann“ aus. Bei künftigen Militäreinsätzen werde es sich um „Kleine Kriege“ handeln. Darunter versteht man militärische Kämpfe, bei denen unsere Streitkräfte reguläre Staaten im Vorgehen gegen nichtstaatliche Kräfte – etwa gegen Aufständische – oder umgekehrt – wie in Libyen – Aufständische gegen reguläre Staaten unterstützen werden. Über “Kleine Kriege” hatte sich schon ein Martin Hoch („Krieg und Politik im 21. Jahrhundert“ in: Aus Politik und Zeitgeschichte B20/2001), also während der Planung der Kampagne „Krieg dem Terrorismus“ ausgelassen.

Typisch für den „Kleinen Krieg“ sei die “Abwesenheit bzw. Durchbrechung verbindlicher Regeln für die Kriegführung.“ Er sei “entgrenzt“ und „alle Mittel kommen in ihm zum Einsatz”. Oft nehme er “in seiner charakteristischen Brutalität – gegenüber Nichtkombattanten, vor allem Frauen und Kindern – Züge an, die mit dem Phänomen des totalen Krieges in Zusammenhang gebracht werden”. Die “Gesamtheit des Gegners, und nicht nur dessen Kombattanten”, würden “als Feind angesehen und bekämpft”. So erkläre sich “der hohe Anteil von Zivilisten unter den Opfern Kleiner Kriege”. Die Brutalität ergibt sich natürlich daraus, dass es sich um weltanschauliche Systemauseinandersetzungen handelt, in denen der Gegner aufhört Mensch zu sein und von den Propaganda-Priestern teuflische Züge (z.B. „Islamisten“, „Tyrann“, „Neuer Hitler“ etc. ) übergestülpt bekommt, wie jüngst wieder im Zusammenhang mit dem “Regime-Wechsel” der NATO in Libyen.

Es falle der deutschen Gesellschaft (es fehlt dort: weil sie nachdrückliche Erfahrungen mit den gleichen Tendenzen nach dem letzten „Großen Krieg“ (nicht nur in den „Rheinwiesen“) gemacht hat) nicht leicht, schreibt die Chefredakteurin in besagter Ausgabe der Internationalen Politik “offen über Macht (sie meint: „derartige Machtausübung“) zu diskutieren – zu der am Ende auch militärische Gewalt gehört”. Aber, wie “jüngere Studien” („Studien“ nennt man inzwischen „amtlich bezahlte Propagandaschriften“) zeigten, seien “westliche Gesellschaften … durchaus bereit, bei ihren Streitkräften Opfer zu akzeptieren, wenn sie von der ‘Richtigkeit’ des Einsatzes und seiner Erfolgsaussicht überzeugt sind” (statt „sind“ ist „werden“ gemeint). Denn dies ist nur noch eine Frage gekonnter  „Meinungsmache“.

Geplant werden vom Westen – nicht von der Bundeswehr – auch „Große Kriege“ -  Syrien und Iran würden zu den geplanten “kleinen” zählen. Die Raketenabwehr-Gespräche zwischen Russland und der Nato haben sich festgefahren, stellt die Nesawissimaja Gaseta am 2.11. fest. Der russische Außenminister Sergej Lawrow warf am Montag der Nato vor, „einfachen und logischen Fragen“ auszuweichen wie: „Wenn das von den USA geplante globale Raketenabwehrsystem nicht gegen Russlands Interessen gerichtet ist, warum wollen sie dann keinen entsprechenden Vertrag abschließen, der das garantieren würde?“ (Würde er das? siehe Wilsons 14 Punkte von 1917). „Die Raketenabwehrgespräche würden zunehmend politisiert“ (gemeint ist wohl „hinterhältig“). Man hofft in Russland auf eine Klärung bis zum nächsten Russland-Nato-Gipfel im Mai 2012 in Chicago. Andernfalls müsse Russland militärtechnische Maßnahmen gegen das geplante Raketenabwehrsystem ergreifen. Außenminister Lawrow betonte in einem Interview, Moskau wünsche sich das nicht, doch würden im Moment die Sicherheitsinteressen seines Landes völlig ignoriert.

Es ist nur eine Frage der Medien-Desinformation, dass “Demokraten” – wie bisher – alles mittragen, weil immer die anderen die “Bösen” sind – und mit dem nächsten Krieg vielleicht sogar der „Friedensfürst“ Obama wieder gewählt werden könnte.

Quelle: Der Spatz im Gebälk

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